Fälle von Folklore: regionaler Tanz und populäre Entgrenzung

In einem Salon im Vorlauf zum künstlerischen Programm der 8. Tanznacht Berlin 2014 stellten Referent_Innen aus wissenschaftlicher und künstlerischer Praxis zentrale Fragestellungen und Befunde zum Begriff und zur politischen Umsetzung von Folklore sowie neuer Formen gemeinsamen Tanzens auf und jenseits der Bühne vor.

18. und 19.07.2014
Tanzfabrik Berlin-Wedding

Salon zur Vorbereitung der 8. Tanznacht Berlin im Rahmen von Open Spaces #1-2014

Mit einer thematischen Feldforschung widmet sich die 8. Tanznacht dem Verhältnis des zeitgenössischen Tanzes zu seinen Ursprüngen und Traditionen. Sie zeigt den Bezug von in Berlin lebenden internationalen Choreografen und Choreografinnen zu ihrer Herkunft. Geografische und geschichtliche Stränge ihrer Tänze und die Bedeutung traditioneller Formen treten in Wechselwirkung mit zeitgenössischer Tanzkunst. Zugang zum Ursprung zu finden, heißt auch, sich in ein Verhältnis zum Zeitgenössischen zu setzen. Folklore wird Ausgangspunkt für einen Parcours durch die Stadt Berlin, mit ihrem Spannungsfeld von Kiezkulturen und Internationalität. Der Aspekt des Spezifischen innerhalb des ambivalenten Konzepts des Zeitgenössischen mit seinem globalen Geltungsanspruch scheint dabei von besonderer Bedeutung. Denn die Wirkungsmacht des Zeitgenössischen kann sich ihrerseits nicht ohne Bezüge zu dem entfalten, was ihm vorausging, nämlich das Regionale, Einzigartige und Inkommensurable der Überlieferung.

Entlang von drei Achsen kann sich die Recherche entwickeln:
Geografie erkunden: Welche Tanztraditionen lassen sich in Berlin ausmachen? Wo werden V(F)olkstänze sichtbar?
Geschichtslinien verfolgen: Wie erfolgt die Weitergabe und Übertragung dieser Handschriften? Wie lässt sich die Herkunft regionaler Tänze nachvollziehen?
Zeitgenossenschaft formulieren: Zugang zum Ursprung zu finden, heißt auch, sich in ein Verhältnis zum Zeitgenössischen zu setzen. Diesen Ursprung nennen wir Folklore.

Berlins Selbstverständnis als internationaler Schmelztiegel ist dabei selbst keineswegs ohne lokale Prägungen verständlich. Zu ihnen zählen
1. die Spuren ostdeutscher, d. h. DDR-spezifischer Traditionen
2. die Migrationskulturen, insbesondere aus der Türkei
3. Urban Dance mit seinem Selbstverständnis als „neuer Volkstanz“
Referenten aus wissenschaftlicher und künstlerischer Praxis werden im Vorlauf zum künstlerischen Programm der Tanznacht 2014 zentrale Fragestellungen und Befunde zum Begriff und zur politischen Umsetzung von Folklore sowie neuer Formen gemeinsamen Tanzens auf und jenseits der Bühne vorstellen.

Referenten wissenschaftliche Praxis:
Jens Richard Giersdorf (Marymount Manhattan College, New York)
Berna Kurt (Bosporus-Universität, Istanbul)
Referenten künstlerische Praxis:
Raphael Hillebrand (Berlin)
Jochen Roller (Berlin
Jasmin Ihraç (Berlin)
Christoph Winkler (Berlin)
Gintersdorfer/Klaßen (Berlin/Abidjan) mit Logobi #4 Jochen Roller und Franck Edmond Yao alias Gadoukou la Star
Einführung und Moderation Franz Anton Cramer (Berlin)
Idee und Konzeption
Heike Albrecht (Künstlerische Leiterin 8. Tanznacht Berlin) und Franz Anton Cramer (Tanzwissenschaftler, Publizist)